Die Entwicklung von nicht-tierischen Antitoxinen

  Das PETA Science Consortium International finanzierte die Herstellung von vollständig menschlichen rekombinanten monoklonalen Antikörpern, die das Diphtherie-Toxin neutralisieren können (siehe den Fachartikel hier).1 Die Forschung wurde am Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig durchgeführt. In Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern führt das Wissenschaftskonsortium Gespräche mit Aufsichtsbehörden, pharmazeutischen Unternehmen und globalen Gesundheitsorganisationen, um die Antikörper zu einem therapeutischen Diphtherie-Antitoxin-Produkt zu entwickeln, das den Einsatz von Pferden und anderen Pferdeartigen ersetzt. Auf der Grundlage des Erfolgs dieses Projekts und des anhaltenden Bedarfs an nicht-tierischen Ersatzstoffen für aus Tierserum gewonnene therapeutische Medikamente finanziert das Konsortium auch die Entwicklung vollständig menschlicher rekombinanter monoklonaler Antikörper, die in der Lage sind, das Gift der Schwarzen Witwe zu neutralisieren. Diese Arbeiten werden am Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig und am Zentrum für wissenschaftliche Forschung und Hochschulbildung Ensenada in Mexiko durchgeführt. Antikörper – Antitoxine eingeschlossen – und andere Affinitätsreagenzien können auf unterschiedliche Weise ohne den Einsatz von Tieren hergestellt werden.25 Unsere Arbeit greift auf diese Ansätze zurück und wird Folgendes umfassen:
  • Ersetzen der Hyperimmunisierung von Pferdeartigen durch Antikörper-Phagen-Display mittels der Nutzung menschlicher Antikörper-Gen-Bibliotheken und Zellkulturen als Quelle der Antikörper-Fragmente, die an das Toxin binden
  • Konvertierung der daraus resultierenden Antikörper-Fragmente in ein Format, das eine gesteigerte Produktion zulässt sowie die biochemische Charakterisierung der Affinität, Epitopkartierung und Stabilität
  • Evaluierung der Fähigkeit der resultierenden Antikörper zur Neutralisierung des Toxins in vitro durch Zellkulturen
  • Verbesserung der Antikörper mit der stärksten Fähigkeit zur Neutralisierung durch Affinitätsreifung, nach Bedarf
  • Konvertierung der Antikörper mit der besten Bindungsaffinität zum IgG-Format (das therapeutische Antikörper-Format, das von den Aufsichtsbehörden am problemlosesten akzeptiert wird) und umfangreiche Produktion in Zellkulturen
  • Charakterisierung dieser Antikörper zur Antigenbindung und -stabilität, einschließlich optimierender Formulierungen zur Stabilität nach Gefriertrocknung
Antitoxine sind unentbehrliche Medikamente und müssen modernisiert werden Antitoxine sind lebensrettende Medikamente. Doch die Art und Weise, wie sie hergestellt werden, hat sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert. Fast alle kommerziellen Antitoxine werden mit Hilfe eines Serums der Pferdeartigen hergestellt. Die Tiere werden zuvor hyperimmunisiert, indem man ihnen widerholt Toxin injiziert. Dann entnimmt man ihnen teils alle vier Wochen große Blutmengen – bis zu 15 Prozent ihres Blutes auf einmal.6 Jahrelang oder sogar ihr gesamtes Leben sind die Tiere diesem Prozess der ständigen Injektionen und Blutabnahmen ausgesetzt. Im Jahr 2015 wurden Produktionsbetriebe für Sera aus Pferdeartigen in Indien untersucht. Es wurden völlig unzureichende Lebensbedingungen für die Tiere festgestellt sowie eine mangelhafte tierärztliche Versorgung; grundlegende Tierschutzgesetze wurden routinemäßig missachtet. Nicht nur traten durch die ständige Injektion von Toxinen und die folgende Blutentnahme schmerzhafte Komplikationen auf – die Tiere wiesen auch Anzeichen auf Lahmheit, Huferkrankungen, Augenanomalien und Unterernährung auf. Kranke oder ältere Pferdeartige wurden nicht getrennt von gesunden Tieren gehalten. Den Mitarbeitern fehlten häufig Kenntnisse und Medikamente, um eine grundlegende medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Betriebe schläferten Tiere, die zu krank waren, um sich von fortgeschrittenen Krankheiten oder Verletzungen zu erholen, auch nicht auf humane Weise ein. Neben der ethischen Problematik räumen nicht-tierische Produktionsmöglichkeiten auch einige der praktischen Nachteile der durch Pferdeartige gewonnenen Antitoxine aus. So können beispielsweise Pferde-Antitoxine Hypersensibilität und die Serumkrankheit verursachen und mit Zoonosen in Zusammenhang gebracht werden.7 Zudem kann man nicht-tierische Antitoxine auf eine wesentlich längere Haltbarkeit hin optimieren. Damit wird auch der weltweiten Knappheit dieser wichtigen Moleküle entgegengewirkt.8 *Achtung: Das folgende Video enthält Szenen, die auf manche Zuschauer verstörend wirken können.
Quellen 1Wenzel EV, Bosnak M, Tierney R, Schubert M, Brown J, Dübel S, Efstratiou A, Sesardic D, Stickings P, Hust M. Human antibodies neutralizing diphtheria toxin in vitro and in vivoScientific Reports. 2020;10(571). 2Bradbury A, Sidhu S, Dübel S, McCafferty J. Beyond natural antibodies: the power of in vitro display technologiesNature Biotechnology. 2011;29:245-254. 3Frenzel A, Schirrmann T, Hust M. Phage display-derived human antibodies in clinical development and therapymAbs. 2016; 8:1177-1194. 4Gray A, Sidhu S, Chandrasekera P, Hendriksen C, Borrebaeck C. Animal-friendly affinity reagents: replacing the needless in the haystackTrends Biotechnol. 2016;34(12):960-969. 5Groff K, Brown J, Clippinger AJ. Modern affinity reagents: recombinant antibodies and aptamersBiotechnol Adv. 2015;33(8):1787-1798. 6Committee for the Purpose of Control and Supervision of Experiments on Animals, Government of India. Care and management of equines used in the production of biologicals. 2001. 7Both L, Banyard A, van Dolleweerd C, Wright E, Ma J, Fooks A. Monoclonal antibodies for prophylactic and therapeutic use against viral infectionsVaccine. 2013;31(12):1553-1559. 8Both L, White J, Mandal S, Efstratiou A. Access to diphtheria antitoxin for therapy and diagnosticsEurosurveillance. 2014;19(24):1-6.